!!! Trigger Warning: In diesem Beitrag werden negative Erfahrungen in Bezug auf Bindungen am Arbeitsplatz thematisiert. Dabei wird kein Blatt vor den Mund genommen und alles klar und deutlich formuliert. Falls du dabei das Gefühl bekommst, dass du dich in solch einer toxischen Situation befindest, sprich mit einer Vertrauensperson darüber und hole dir Hilfe! Niemand ist es wert, in so einem Umfeld zu arbeiten. Du hast das nicht verdient. Kommunikation und Veränderungen können dir helfen.
Toxische Bindungen sind eine Begrifflichkeit, die gerade sehr häufig genutzt wird.
Warum?
Das liegt zum Einen daran, dass unsere Arbeitsplatzstruktur durch Globalisierung und Digitalisierung viel komplexer als früher ist.
Wir haben mit mehr Menschen zu tun, Aufgaben und Kommunikation wird komplexer. Das bedeutet, dass es auch mehr Potenzial für Missverständnisse gibt oder die Wahrscheinlichkeit generell steigt, dass wir mit jemandem zusammenarbeiten (müssen), mit dem es nicht harmoniert, weil wir einfach im Allgemeinen mit mehr Menschen zu tun haben.
Zum Anderen wird wohl deshalb oft das Wort „toxisch“ verwendet, da es genau solche Missverständnisse vermeidet: Wir wissen alle, was Gift bedeutet und was es mit uns machen kann, egal ob psychisch oder im wahrsten Sinne des Wortes.
„Toxische Bindungen“ sind nichts, was wir oberflächlich betrachten können.
Es geht hierbei um subjektive Wahrnehmungen mindestens einer Person, die die Bindung zu einer anderen Person als toxisch wahrnimmt.
Für jeden Menschen können abhängig von der Persönlichkeit und dem restlichen Umfeld andere Situationen und Personen toxisch werden.
Gerade weil es eine subjektive Wahrnehmung ist, können wir Menschen, die jemanden oder ein ganzes Umfeld als toxisch bezeichnen, nicht absprechen, dies zu tun. Genauso, wie wir niemandem absprechen können, etwas als stressig zu empfinden.
Wenn ihr sagt, „das ist falsch“ seid ihr selbst schon auf dem besten Weg, toxisch zu werden, denn es ist nicht gesund und übergriffig, anderen deren Gefühle und Empfinden abzusprechen.
Deine Empfindung ist nicht richtiger oder falscher als die Empfindung von einer anderen Person.
Das ist gut und schlecht: Denn das macht es so schwierig, toxische Bindungen anderen zu erklären, selbst zu identifizieren und loszuwerden
„Toxisch“ ist oft an gar nichts gebunden, was wir sehen können. Das ist das Problem.
Es zerstört nur (oft) sehr langsam und schmerzhaft unsere psychische Gesundheit und hat damit – wie ein Gift – Auswirkungen auf unsere Gefühle, unseren situativ herausblitzenden Charaktermerkmale (= also unser Verhalten), unser Umfeld und somit auch unseren Erfolg und unser Glück.
Wie können wir erklären, was/wer genau für uns toxisch geworden ist?
Das Problem eines toxischen Umfeldes ist, dass wir uns selbst immer mehr in unserem eigenen Gehirn gefangen halten.
Bestimmte Gedankenstrukturen, Verhaltensweisen, systematische Regelungen und strukturelle Begebenheiten in einem Unternehmen bzw. beruflichen Umfeld können uns nicht nur den letzten Nerv rauben, sondern können uns – wie ein Gift – langsam und für Außenstehende kaum merkbar von innen nach außen zerstören.
Für Außenstehende kaum merkbar, ist das wirklich so?
Natürlich wird dein Umfeld merken, wenn es dir immer schlechter geht und du z.B. antriebslos, ängstlich, misstrauisch, lustlos, ruhiger bist.
So komplex wie Menschen sind, sind aber auch solche Ursprüngen. Es wird umgedreht gesehen nie nur eine einzige Anknüpfstelle geben, das Leben in positivere Bahnen zu leiten.
An folgenden Situationen kannst du ableiten, ob eine Person bzw. ein Umfeld bei dir toxisch geworden ist:
(Diese Liste ist nur mit Beispielen versehen und nicht vollständig! Bei dir kann es sich ganz anders ausprägen. Es geht hier mehr darum, diese als Impulse zum aufwachen zu nutzen, etwas zu ändern und besser für sich zu sorgen.)
• Du kannst abends kaum einschlafen, weil du permanent an etwas negatives auf Arbeit denkst, kommt aber auch nicht weiter
• Du hast oft Angst, dass diese bestimmte Person schlecht über dich denken könnte und das große Auswirkungen auf deinen Job haben könnte
• Dir geht es viel besser, wenn du Urlaub hast, aber auch da kannst du nicht richtig abschalten, weil du nicht weißt, wie du nach dem Urlaub auf Arbeit wieder aufgenommen wirst
• Die Person nutzt die Hierarchie aus, um dir Druck zu machen oder extra Aufgaben zu geben, die sich ungerecht anfühlen und die andere nicht bekommen
• Du bekommst körperliche Symptome, wenn sich ein Thema mit dieser Person über einen längeren Zeitraum zieht, weil du sie nicht einschätzen kannst
• Du hast das Gefühl, alle nehmen die Person anders wahr als du und du bist allein damit
• Dir vorzustellen, diese Person wäre einfach für immer weg, bedeutet ein Gefühl von Erleichterung für dich
• Du bekommst mehrmals mit, wie die Person Gerüchte über dich verbreitet und vor anderen negativ über dich spricht
• Du hast das Gefühl, dass dir niemand glauben wird, weshalb du dich mit dem Thema komplett isolierst
• In Gesprächen unter vier Augen macht die Person dir Angst. Du fühlst dich klein, unterlegen, immer auf Rechtfertigungsmodus…
Wenn es noch ernster wird:
Diese Themen gehen mit toxischen Bindungen einher: Bewusste Manipulation, Hetze, Erpressung, Belästigung, physische und psychische Gewalt, üble Nachrede/Rufschädigung…
Bitte nimm die Situation ernst. Nimm deine Empfindungen ernst und behalte es nicht für dich.
Was kann ich tun, wenn das Verhalten persönliche Grenzen überschreitet?
→ Notiere deine Gedanken, was dich genau so verletzt/wahnsinnig macht und sprich mit einer Vertrauensperson im privaten Umfeld und im Job darüber.
→ Wenn es noch möglich ist: Versuche mit der betreffenden Person zu sprechen und erkläre deine Sichtweise. Sag, was dich so trifft und welche Vorschläge du für eine Änderung hast. Könntet ihr z.B. Aufgaben anders verteilen, um Kontakt zu vermeiden oder könnte die Person anders mit dir sprechen, wenn es um Projekt XY geht?
→ Versuche, für dich selbst zu vereinbaren, wo Änderungen passieren können. Je länger der Zeitraum, in dem du eine Person toxisch findest, desto schlimmer wird es. Hier würde ein „wir klären das kurz“ nichts helfen.
→ Ist der Zeitraum, in dem du noch Kontakt hast, absehbar? Abteilung wechseln, Ende Praktikum usw…. oder musst du dich selbst dafür einsetzen, eine Veränderung herbei zu führen? Wie gut geht es dir, wie viel Energie hast du noch? Sei ehrlich zu dir selbst.
→ Führe Tagebuch, wie es dir damit geht.
→ Schütze dich selbst, indem du dir psychologische Beratung suchst. Bitte unterschätze nicht, wie sehr wir nach einer toxischen Phase entgiften müssen, wenn diese vorbei ist. Währenddessen und auch danach sind Bücher, Mediation und spirituelle Methoden vielleicht ein Schlüssel für eine gute Erkenntnis und helfen loszulassen, können aber auch die psychischen Beschwerden verschlimmern.
Es ist mehrmals wissenschaftlich bewiesen worden, dass Über-analysieren und Overthinking die negativen Gedanken oft noch schlimmer machen.
Was kann ich tun, wenn es rechtliche Grenzen überschreitet?
→ Alles, was o.g. wurde.
→ Sammle Beweise wie Screenshots von Nachrichten/Mails, und schreibe auf, wann was getan wurde, das die Grenzen überschreitet.
→ Sprich unverzüglich mit einer/m Vorgesetzten bzw. einer Person, die dich ernst nimmt, darüber. Warte nicht, bis es noch schlimmer wird.
→ Versuche, dich so schnell wie möglich aus dem Verhältnis zu ziehen.
Es wird nie wieder besser, sondern immer schlimmer werden, dafür sorgen allein schon unsere Gedanken, in denen wir uns geiseln lassen. Wenn du dir nach einer Grenzüberschreitung selbst nicht hilft, dich zu schützen, betreibst du Selbstsabotage und unterstützt im schlimmsten Fall sogar noch Täter*innen (manchmal sind wir natürlich viel zu schwach, um so mutig zu sein.
Daher: Bitte versuche nicht, alles allein zu lösen und erzähle einer anderen Person, die dich mag und die du magst, davon. Bleib nicht allein.)
Was tun, wenn jemand in deinem direkten Umfeld in einer solchen Bindung ist?
Versuche, der Person zu erklären, dass du dir Sorgen machst, dass du beobachtest, dass es ihr mal besser als jetzt ging und dass du gern dazu beitragen würdest, dass es ihr wieder besser geht.
Sprich konkret an, was du wahrnimmst,, beziehe es aber nicht auf die Person (Du bist, du hast…), sondern setze es in einen Kontext wie (Es kam mir so vor… neulich war deine Reaktion auf meine Frage X im Park so ängstlich. Da ist mir eingefallen, dass ihr diese eine neue Kollegin habt. Hängt das zusammen? Willst du davon erzählen?)
Bitte sei nicht übergriffig, sondern versuche, ihr die aktuellen Auswirkungen der „Vergiftung“ wertschätzend und verständlich zu spiegeln.
Bin ich selbst toxisch?
Toxische Bindungen entstehen z.B. da, wo viele Wünsche unausgesprochen bleiben, wo andere Menschen veränderungsresistent sind, ego-gesteuert handeln oder narzisstische Züge nicht reflektieren.
Dann können folgende zwei mögliche Situationen eintreten:
- Wenn wir in diesem Umfeld bleiben, schwappt es auf uns über, und wir neigen dazu, das Gift einfach im Verhalten mit anderen weiterzugeben.
Irgendwann zwickt es überall in unserem Leben – und wir werden entweder wissentlich krank oder wir werden unbewusst vergiftet. - Durch verschiedenste Zusammenhänge, Stress und fehlende Reflexion können wir jederzeit auch selbst zu toxischen Personen für jemand anderes werden.
Was könnte mir hier helfen?
Übe dich in Selbstreflexion. Sprich mit der Person, um die es geht, und frage sie, wie es ihr geht. Erzähle einer/m Freund*in davon.
Versuche, aus Dankbarkeit und Demut heraus zu handeln und hinterfrage, ob dein Ego aus einem bestimmten Grund dein Handeln bestimmt hat. Auch eine Psychologin oder ein Psychologe kann dir helfen, dein Verhalten zu erklären und schneller besser zu verstehen. So findest du vielleicht einen Schlüssel zu der Bindung bzw. deinem Verhalten, das anderen nicht guttut.
Egal, inwiefern du mit toxischen Bindungen in Kontakt kommst, es hilft nie, den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass alles von allein besser wird.
Bitte nimm deine eigenen Grenzen ernst, die von anderen Menschen. Wenn Kommunikation nicht mehr hilft, hilft meist nur noch eine Veränderung.
Falls jemand in deinem Freundeskreis davon betroffen ist: Hab Geduld und sei verständnisvoll, so eine Befreiung braucht viel Energie. Stelle nicht ihre/seine Empfindungen infrage.